Kungsleden
Meine erste Fernwanderung
RoadTipp Schweden| 23. Januar 2022
Früher waren für mich sogar die zwei Kilometer zur Arbeit zu weit, um zu Fuß zu gehen. Wie zum Teufel kommt man also auf die Idee, 200 Kilometer durch die Wildnis zu laufen?
Unseren persönlichen Erfahrungsbericht zum Kungsleden, unserer ersten Fernwanderung, gibt es im Artikel.

Wie sind wir dazu gekommen?
Die Geschichte ist eigentlich ganz witzig, denn hätte alles wie geplant geklappt, wäre ich wahrscheinlich bis heute noch keine 200 Kilometer gelaufen.
Wir wollten im April 2020 für mindestens ein Jahr nach Amerika reisen. Über Kuba und LA sollte es mit dem Wohnmobil hoch bis nach Vancouver gehen - dort wollten wir dann mindestens ein Jahr bleiben. Leider kam uns Corona dazwischen und wir mussten unsere Pläne anpassen.
Da gefühlt alle Länder auf der Erde ihre Grenzen geschlossen hatten, gab es für uns nur eine Alternative: Schweden.
Und das war wirklich die einzige Alternative, und die Beste! (Wie mit Sicherheit alle Wissen - es war ja wochenlang in den Medien: „Schwedens Sonderweg!“ hieß es überall)

In Schweden haben wir zunächst wunderbare 4 Wochen verbracht. Wir waren den gesamten Mai dort, hatten einen wunderbaren Frühling, während der Rest der Welt im Lockdown still stand.
Allerdings war auch in Schweden nicht alles normal. In Restaurants galt die Abstandsregel. Und es waren wenig Touristen unterwegs. Eigentlich gar keine. Nur 2 Holländer waren mit uns auf der Fähre nach Trelleborg gereist.
In den 4 Wochen in Schweden sind wir fast durch das gesamte Land gefahren und waren so ziemlich überall Wandern, wo es nur ging. Irgendwann bin ich im Internet auf den Kungsleden (Deutsch: Königspfad) gestoßen - Schwedens schwerster Wanderweg. Ich war sofort Feuer und Flamme, als ich davon gelesen habe: 440 Kilometer durch die weite Natur Schwedisch-Lapplands. Tanja war leider nicht so angetan von dem Gedanken. Da musste ich erst noch ein wenig Überzeugungsarbeit leisten.
In Abisko lag zu dem Zeitpunkt allerdings noch jede Menge Schnee und zu Zeiten der Schneeschmelze kann es dort sehr gefährlich werden. Wir konnten also nicht sofort loslaufen.
Während ich also alles plante und Tanja regelmäßig mit kleinen Schubsern in die richtige Richtung drückte, bestellte ich nebenbei einfach alles, was man für so eine Tour braucht: Rucksack, Zelt, Iso-Matten, Wanderschuhe, und Essen! Jede Menge Essen!
Am 8. Juli 2020 ging dann der Flieger nach Stockholm.

Zielauswahl
Insgesamt ist der Kungsleden derzeit 440 Kilometer lang. Ich schreibe bewusst derzeit, weil es noch einen südlichen Kungsleden etwas weiter südlich im Land, in Mittelschweden gibt. Der schwedische Wanderverband arbeitet momentan daran beide Wege miteinander zu verbinden.
Auf 440 Kilometern gibt es auch verschiedene Routen, die kürzeste und beliebteste umfasst rund 110 Kilometer von Abisko nach Nikkaluokta. Einen weiteren Ausstiegsspunkt bietet Kvikkjokk bei rund 200 Kilometern. Da der Weg bis dahin gut markiert ist, entschieden wir uns für diese Route. Außerdem soll dies der spannendste und zugleich schönste Teil des Kungsledens sein.
Die Wanderung
Nach einer rund 24 stündigen Anreise (zunächst mit dem Flugzeug bis nach Stockholm und von dort aus nochmal rund 17 Stunden quer durchs Land) erreichten wir die Fjällstation in Abisko. Dort gab es gerade Mittagstisch, was perfekt für eine kleine Stärkung war. Wer nicht in den Hütten schlafen möchte, dem empfehle ich unbedingt dort einen Teller mehr zu essen, denn das wird je nach Route für mindestens 5-10 Tage die letzte richtige Mahlzeit sein ;-)
Wer müde von der langen Anreise ist kann in der Station in Abisko noch eine Nacht verbringen - wir entschieden uns allerdings dafür noch am selben Tag loszulaufen.
Hier auf jede Route separat einzugehen, würde den Rahmen des Artikels sprengen, deswegen versuche ich mich hier auf die wesentlichen Punkte zu konzentrieren.
„Wo sind denn hier die Berge?“ fragte ich mich die ganze Zeit, aber die erste Etappe verläuft überwiegend durch flaches Gelände. Es sind rund 25 Kilometer bis man den Abisko Nationalpark wieder verlässt. Dort ist übrigens auch Zelten verboten. Also liefen wir die ganzen 25 Kilometer noch am ersten Tag, bis wir einen wunderbaren Zeltplatz erreichten. Gleich an einem Fluss. Es blieb den ganzen Tag trocken, bis wir abends im Zelt lagen. Es regnete 12 Stunden durch. Ich habe niemals zuvor, und seitdem auch nie wieder so gut geschlafen, wie in dieser Nacht.

Am nächsten Tag ging es dann endlich in die Berge. Gleich zu Beginn der zweiten Etappe erwartete uns ein guter Anstieg und wir wanderten plötzlich ein paar hundert Meter höher. Die Sicht reichte nur noch einige Meter weit - die Wolken hingen tief an diesem Morgen. Die Beine waren schwer vom ersten Tag. Die lange Anreise, die ersten 25 Kilometer mit 25 Kilo auf dem Rücken und die erste Nacht im Zelt hatten Spuren hinterlassen, aber wir waren motiviert. Motiviert die nächsten 175 Kilometer zu bestreiten und gespannt, was uns die nächsten Tage noch erwarten sollte.
Der zweite Tag verlief relativ ruhig, mit vielen kleinen Erholungspausen, um mit einer Hand voll Nüsse wieder Energie zu tanken.
Am dritten Tag sollten wir dann endlich erfahren, warum der Kungsleden einer der schönsten Fernwanderwege der Welt ist. Gleich als wir morgens das Zelt öffneten lachte uns die Sonne entgegen und wir konnten endlich die ganzen Berge um uns herum entdecken.
„Waren die schon die ganzen Zeit da?“ Anscheinend! Die wachsen ja nicht über Nacht.
Das selbstgemachte Porridge schmeckte jeden Tag ein bisschen besser und auch die Beine wurden jeden Tag ein wenig leichter (wahrscheinlich weil das Gewicht, das auf Ihnen lastete, jeden Tag ein bisschen weniger wurde, und damit meine ich nicht den Rucksack ;-))
Nach rund einer Stunde mussten wir unseren ersten Fluss überqueren - klappte auch relativ problemlos, wenn man sich damit abfindet, dass die Füße halt auch mal nass werden. War uns total egal, denn die Laune war bestens bei gefühlt 30 Grad. Total surreal war der Anblick von schneebedeckten Bergen, während wir im T-Shirt in der Sonne saßen.

Das Wetter in den Bergen ist schon eine Herausforderung. Saßen wir gestern noch mit T-Shirt in der Sonne, war an diesem Morgen schon wieder alles grau. Und plötzlich war da auch noch Schnee auf dem Weg, mitten im Juli! Das ist also Lappland. Langsam verstand ich, wo ich hier überhaupt gewesen bin.
An diesem Tag erreichten wir den höchsten Punkt des Kungsledens: den Tjäktja Pass.
Zunächst passierten wir einen Fluss. Aber schön der Reihe nach, einer nach dem anderen. Die Schneedecke drohte nämlich jeden Moment einzustürzen. Weiter ging es den Berg hinauf, bis wir auf dem Gipfel standen. Der Ausblick war wirklich atemberaubend. So ziemlich das schönste, was ich bisher gesehen hatte. Wenn man von dem heranziehenden Unwetter mal absieht.


Die nächsten acht Stunden sollte es einfach nur regnen. Stark regnen. Der Weg verwandelte sich mehr und mehr in einen Fluss und trockene Füße waren auch nur noch eine nette Vorstellung. Mittlerweile verstand ich, warum dieser Wanderweg liebevoll „der Königsweg“ getauft wurde. Nicht, weil der Weg so unglaublich schwer ist, sondern weil die Umstände ihn so schwer machen!
Bei Sonnenschein kann man den Weg gut schaffen. Aber in Lappland scheint halt nicht so oft die Sonne … ;-)
Die nächsten Tage waren im Vergleich zum letzteren deutlich angenehmer. Es regnete zwar immer wieder, aber damit arrangiert man sich mit der Zeit. Gute Regenkleidung ist hier Gold wert.
Wir überquerten unseren ersten Fluss mit dem Ruderboot, wanderten einen Berg nach dem anderen hoch und wieder hinunter und bestaunten jede Menge schöner Bergketten. Ab und zu kam ein Fuchs, ein Elch oder ein Rentier vorbei. Natur pur eben.
Wir passierten den Stora Sjöfallet Nationalpark und machten eine kleine Bustour (Nicht, weil wir zu faul zum laufen waren, sondern weil man die rund 37 Kilometer von Vakkotavare nach Saltoluokta eben besser mit dem Bus fährt.) Dieser Tag war wirklich klasse. Nach dem Aufstehen mussten wir nur rund 10 Kilometer bis zur Bushaltestelle laufen, somit hatten wir bereits um 12 Uhr Feierabend. Danach fuhren wir nur noch Bus und Boot, aßen ein Eis an der Tankstelle und tranken Jäger-Cola am Akkajaure.
So langsam ging es Richtung Endspurt. Die letzten fünf Tage vergingen wie im Flug. Auf uns warteten noch zwei Bootsfahrten (eine mit dem Motor- und eine mit dem Ruderboot), es ging weiterhin die Berge rauf und runter und das Wetter machte, was es eben machte. Regen, Sonne, Wind, Nieselregen, starker Regen, Nebel, und so weiter … nur Gewitter gab es keins. Immerhin etwas! Aufregende Zeiten. Aber einen richtig sonnigen Tag sollten wir auch noch bekommen. An Tag 10 unserer Wanderung starteten wir gleich morgens mit Sonnenschein und keiner einzigen Wolke am Himmel. Das Thermometer zeigte mit Sicherheit mindestens 35 Grad. Prüfen konnten wir das natürlich nicht, denn Handyempfang gab es dort keinen. Besonders weit kamen wir an dem Tag auch nicht. Ich schätze es waren maximal zwei Kilometer. Zu schön war das Wetter und zu schwer die Beine, also schlugen wir nach rund einer Stunde Gehzeit erneut unser Zelt auf und machten es uns einfach gemütlich. In der Nähe des Skierffe (ein wunderschöner Aussichtspunkt mit Blick über den Sarek Nationalpark) machten wir den gesamten Tag Rast, verspeisten unsere letzten Essenreste und erholten uns in der Sonne. Ich glaube wir haben den ganzen Tag geschlafen … ;-)





Zum Schluss konnte es dann gar nicht mehr schnell genug gehen. Die letzten beiden Tagen waren nur noch nass. Teilweise hat es so stark geregnet, dass sogar atmen schwer fiel. Hast du das schonmal erlebt? Echt krass. Ich habe so Geschichten schon aus dem peruanischen Urwald gehört, da schüttet es ja auch regelmäßig wie aus Eimern, aber in Schweden? Klar, gibts da auch! Kann man das also auch von der Bucketlist streichen.
Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie glücklich ich war, also wir endlich die Endstation Kvikkjokk erreichten. Vergleichbar mit einem Drogenrausch. Erste Fernwanderung: Geschafft! Zur Feier des Tages gab es erstmal Burger. Ein echtes Highlight nach 12 Tagen im Wald!

Was haben wir aus unserer ersten Fernwanderung gelernt
Wie mit so vielen Dingen im Leben, ist auch die aller erste Fernwanderung die spannendste. Das weiß ich mit Sicherheit, weil ich heute, an dem Tag an dem ich diesen Artikel schreibe, bereits meine zweite Fernwanderung hinter mir habe. Beim ersten Mal ist noch alles neu und aufregend. Der Respekt vor dem Ungewissen. Was wird mich wohl erwarten? Aber so gut man sich auch vorbereitet, so viele Blogartikel man auch liest und so viele Reiseführer man in die Hand nimmt … was funktioniert und was nicht, erfährt man immer erst, nachdem man losgelaufen ist. Also, zum Abschluss noch einige Tipps, für deine erste Fernwanderung.


1. Ausrüstung
Ja, gute Ausrüstung ist teuer! Aber sie lohnt sich! Besonders bei einer Fernwanderung. Nichts ist schlimmer, als der Moment, wenn du im Wald stehst und dir eingestehen musst, dass das Zelt für 100 Euro mehr doch die bessere Wahl gewesen wäre, weil es nachts ständig reinregnet. Oder die leichten Wanderschuhe mit der dünnen Sohle doch nicht so angenehm sind, wenn du 200 Kilometer über spitze Steine laufen musst. Oder dir dein Rücken den ganzen Tag Schmerzen bereitet, weil du nicht in einen guten Rucksack investieren wolltest. Das gleiche gilt übrigens für die ISO-Matte. Dein Rücken trägt für dich schon 8 - 10 Stunden täglich 20 oder mehr Kilo mit sich herum. Gönn ihm wenigstens nachts etwas Erholung, indem du in eine gute ISO-Matte investierst.
Ich könnte noch ewig so weiter machen… was ich aber sagen möchte, sollte klar sein: Investiere unbedingt in gute Ausrüstung! Nirgends ist der Spruch „Wer billig kauft, kauft zwei Mal. “ angebrachter als hier.
2. Planung
Je nach dem wo du wandern gehst, ist eine gute Planung im voraus unabdingbar. Auf dem Jakobsweg kommst du wahrscheinlich auch ganz gut ohne klar, weil dieser komplett markiert, Spanien touristisch erschlossen und der Weg an sich sowieso längst überlaufen ist. Wenn du in Schweden oder Patagonien bist, kann das aber schon mal anders aussehen. Bei unserer zweiten Wanderung beispielsweise trafen wir in 10 Tagen nur zwei Menschen. Mache dir also unbedingt Gedanken über deine Route, und was du tun kannst, wenn du mal Hilfe brauchst. Eventuell etwas Geld für einen Notfallsender in die Hand nehmen!? Für die Routenplanung gibt es Apps mit Offline Karten, und für das unberechenbare Wetter in den Bergen Satellitentelefone. Gott sei Dank leben wir im 21. Jahrhundert und die meisten Dinge wurden bereits erfunden.
3. Apotheke
Im Netz sieht man immer nur die schönen Bilder. Ein Rentier hier, ein Sonnenuntergang da und riesiger Berg dort. Was man für die Fotos tun muss und was dabei alles passieren kann wird aber nicht erwähnt. Du musst ja nur einmal ordentlich auf die Knie fallen, oder dir beim Zubereiten deines Abendessens ordentlich in den Finger schneiden. Oder dir wird kotzübel, weil der Fluss, aus dem du dein Wasser schöpfst, verunreinigt ist … Eine gute Reiseapotheke ist hier überlebensnotwendig.
4. Zu viel Stress
Wenn du „musst“, macht’s keinen Spaß. Ich meine damit: Nimm dir nicht zu viel vor. Du hast noch keine Erfahrung, kennst den Weg nicht, hast nur zwei Wochen Urlaub und für den gesamten Weg benötigst du rund zwei Wochen? Dann lauf lieber etwas weniger … oder plane mehr Zeit ein! Wenn du weißt, dass du an einem bestimmten Tag wieder zurück sein musst, plane unbedingt ein paar Tage Puffer für Unvorhergesehenes ein. Das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen - man weiß nie was man bekommt. Das gleiche gilt für eine Fernwanderung. ;-)
5. Essen & Trinken
Dieser Punkt gehört mit zur Planung, hat wie ich finde dennoch einen eigenen Punkt verdient. Unterschätze das auf keinen Fall!
Zuhause isst du täglich 2000 - 2500 Kalorien? Dann plane für deine Wanderung ruhigen Gewissens das 1,5- bis Zweifache ein. Wer täglich 20 - 30 Kilometer läuft, über mehrere hundert oder sogar tausend Höhenmeter und dabei noch 20 Kilo extra auf dem Rücken hat, darf und muss auch ein bisschen mehr essen.
Mache dir unbedingt schon vorher Gedanken über Orte, an denen du dein Proviant wieder auffüllen kannst. Noch wichtiger als das Essen selbst ist hier die Wasserversorgung. In Ländern wie Schweden mag das nicht so wichtig sein, da du alle paar Kilometer an einem Fluss vorbei läufst - in wärmeren Ländern, Australien zum Beispiel, ist dies aber nicht der Fall.
Man sagt, ein Erwachsener soll mindestens 3 Liter täglich zu sich nehmen - während einer Wanderung dürfen das gerne auch 6 Liter sein. Wenn du eine 1,5 Liter Flasche bei dir trägst, musst du also vier mal täglich Wasser auffüllen können. Eventuell brauchst du noch zusätzlich Wasser, um dir am Abend deine Nudeln zu kochen!? Prüfe also sorgfältig, ob das möglich ist.
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